Deutschlands Zukunftserwartungen – Hoffnung wächst, Sorgen nehmen ab
Zukunftserwartungen - Ausg. 01A
30. Dezember 2020
Kriege und Naturkatastrophen, Hunger und Krankheiten, Wirtschafts- und Finanzkrisen: Es gibt eine Menge Themen, die Angst und Schrecken verbreiten können. Was aber bereitet den Bundesbürgern am meisten Sorgen, wenn sie an die kommenden zehn bis zwanzig Jahre denken?
Ganz vorne steht die Frage nach der Rentensicherheit. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung (55%) fürchtet, im Alter nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Überdurchschnittlich oft äußern hierbei Frauen und kurz vor der Rente stehende Arbeitnehmer diese Sorge. Auch die Angst vor Terroranschlägen und Kriminalität bleibt hoch.
Allerdings sinkt in allen drei Bereichen die Besorgnis im Jahresvergleich: So blickten 2007 noch fast zwei Drittel skeptisch auf die zukünftige Höhe der Rente und knapp die Hälfte der Deutschen fürchtete um die eigene Sicherheit. Deutlich weniger kritisch werden zudem die Entwicklungen am Arbeitsmarkt bewertet. 2007 nannten mehr als doppelt so viele Bürger wie heute Arbeitslosigkeit und fehlende Ausbildungsplätze als Zukunftsprobleme. Ebenso reduzierten sich auch die Sorgen um die Bereiche Gesundheitsvorsorge und Pflegeversicherung, Preissteigerung sowie das Verschuldungsrisiko und den Geburtenrückgang.
Leicht zugenommen haben dagegen gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie die „Spaltung der Gesellschaft“ – die weiterhin eine der größten Sorgen bleibt – und der Klimawandel. Das Thema Umwelt wird insbesondere von den älteren Bundesbürgern mit Sorge betrachtet (60+ Jahre: 60%), wohingegen die mittlere Generation das weniger kritisch sieht (30-50 Jahre: 44%).
Den größten Sorgenzuwachs verzeichnen die Bereiche „Politikverdrossenheit“, „Einfluss von Medien“ sowie die „Ausbreitung von Seuchen und Epidemien“. Dass die Angst vor Infektionen in Zeiten einer weltweiten Epidemie deutlich steigt, war zu erwarten. Besorgniserregender ist dagegen die zunehmende Skepsis gegenüber den beiden Institutionen Politik und Medien.
Diskussionen um Fake News, alternative Fakten und Massenmedien sowie die zunehmende Meinungsmache in sozialen Medien haben Spuren hinterlassen. Mehr und mehr Bürger sorgen sich um den Einfluss der Medien auf die eigene Meinungsbildung und die Beeinflussung der jungen Generation durch soziale Netzwerke. Damit das Vertrauen in die vierte Macht nicht weiter sinkt, darf der ökonomische Druck und die Neigung, der Geschwindigkeit Vorrang vor solider Recherche zu geben, nicht weiter zunehmen. Gefordert sind stattdessen Transparenz und (noch) mehr Dialog. Gleichzeitig muss aber auch das Thema Medienkompetenz einen deutlich größeren Stellenwert in allen Lebensbereichen einnehmen, denn schon 1985 prognostizierte der Zukunftsforscher Naisbit, dass wir gleichzeitig nach Wissen hungern und in Informationen ertrinken würden.
Ausblick
Betrachtet man die verschiedenen Zukunftsängste insgesamt, bilden sich drei Überkategorien heraus. Die erste umfasst die materielle Ebene, also die Sorge, über zu geringe finanzielle Mittel zu verfügen, um sorgenfrei leben zu können. Die zweite lässt sich mit der Angst um das eigene Wohl beschreiben. Dabei geht es sowohl um die grundsätzliche Gesundheit als auch um die allgemein körperliche Unversehrtheit. Die dritte Gruppe schließlich beinhaltet gesamtgesellschaftliche Sorgen, die von einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft bis hin zum Klimawandel reichen.
Innerhalb der Bevölkerung lassen sich hierbei einige auffällige Unterschiede nachweisen. Erstens äußern sich Frauen in fünfzehn von neunzehn Problemfeldern pessimistischer. Zweitens zeigt ein Vergleich der Altersgruppen, dass die Sorgen mit dem Alter zunehmen. Dreizehn von neunzehn Kategorien werden von über 60-Jährigen angeführt. Die mittlere Generation im Alter von 40 bis 60 Jahren äußert lediglich überdurchschnittlich viele Bedenken in den materiellen Bereichen Arbeitslosigkeit, Verschuldungsrisiko, Preissteigerungen, Wohlstandsverlust und den gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen „Einfluss der Medien“ sowie „Bildungskrise“. Die Generation unter 40 Jahren zeigt sich deutlich hoffnungsvoller und gibt sich in sämtlichen Bereichen zuversichtlich.
Es lässt sich festhalten: Die oft zitierte „German Angst“ und der „typisch deutsche Pessimismus“ bestehen weiter. Und das obwohl Deutschland objektiv zumindest wirtschaftlich besser dasteht als fast jedes andere Land. Einen Einfluss haben zweifellos die zahlreichen negativen Berichterstattungen aus Medien, Politik und Wirtschaft, die Einsparungen und Kostendruck, mehr Eigenverantwortung und große Veränderungen vorhersagen (z.B. steigendes Renteneintrittsalter bei sinkendem Rentenniveau oder mehr Arbeitsplatzunsicherheit durch die digitale Entwicklung).
Aber es zeigen sich auch positive Entwicklungen. So blickt die jüngere Generation deutlich zuversichtlicher auf die Zukunft. Mehr als alle anderen möchte sie diese aktiv mitgestalten und sich ihr nicht einfach ergeben. Sie ist sich dabei durchaus bewusst, dass in Zukunft einiges anders sein wird als heute, sieht die bevorstehenden Veränderungen jedoch vielmehr als Chance und weniger als Risiko.